Für und Wider eines Solarparks in Rechtenstein ausgiebig diskutiert

2. Juli 2019 – Im Vorfeld der am 7. Juli anstehenden Abstimmung über den Bau eines Solarparks in Rechtenstein hatten die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde die Gelegenheit, sich über das Für und Wider der geplanten Anlage zu informieren. Gut 80 Personen nahmen dies wahr, kamen zur Infoveranstaltung am 2. Juli ins Gemeindehaus und diskutierten kontrovers und ausdauernd. Eingeladen hatte das Forum Energiedialog, gemeinsam mit der Gemeinde Rechtenstein und den Initiatoren des Bürgerentscheids, Florian und Josef Braun. Auf einem bisher für den Ackerbau genutzten Grundstück der Familie Braun hat die EnBW den Bau eines Solarparks geplant und würde dazu die Fläche von den Eigentümern pachten. Der Gemeinderat hatte das Vorhaben Anfang 2019 mit sechs zu zwei Stimmen abgelehnt. Die Flächeneigentümer hatten daraufhin Unterschriften für den Solarpark gesammelt und damit erwirkt, dass die Gemeinde die Bürgerinnen und Bürger über das Vorhaben abstimmen lässt.

Klimafreundliche Stromerzeugung versus Landschaftsbild

Im Gespräch mit der Moderatorin aus dem Team des Forums Energiedialog legten sowohl Bürgermeisterin Romy Wurm als auch der Bürgerentscheids-Initiator Florian Braun ihre jeweiligen Beweggründe dar. Die Gemeinde berief sich darauf, dass ein mehrere Hektar großer Solarpark das Landschaftsbild stark beeinträchtige. Der an der Donau gelegene Ort zeichne sich schließlich vor allem durch seine attraktive Landschaft aus. Es handele sich zudem um sehr gute Ackerflächen, die in Rechtenstein knapp seien und daher weiter für die Landwirtschaft genutzt werden sollten. Außerdem sehe der Flächennutzungsplan keine Flächen für Photovoltaik vor. Insgesamt sei die Gemeinde bereits gut ausgestattet im Bereich erneuerbare Energien – mit einem Wasserkraftwerk, einer Biogasanlage sowie Solaranlagen auf Dächern. Florian Braun dagegen wies darauf hin, dass man mit dem Solarpark einen lokalen Beitrag zu Energiewende und Klimaschutz leisten wolle. Gleichzeitig eröffne sich der Familie durch die klimafreundliche Stromerzeugung eine neue Einkommensmöglichkeit. Ein Solarpark auf der fraglichen Fläche sei zudem ökologisch sinnvoller und effizienter als der Anbau von Mais für Biogas.
Im Gemeinderat gab es sowohl Befürworter als auch Kritiker des Vorhabens. Die Mitglieder hätten sich die Entscheidung im Januar nicht einfach gemacht, betonten Günter Schwarzmann und Lothar Schmid. Sie hätten in mehreren Sitzungen ausführlich das Für und Wider diskutiert.

Solarpark würde kleiner ausfallen als ursprünglich geplant

© Forum Energiedialog 2019

Wie der Solarpark konkret aussehen könnte, erläuterte EnBW-Mitarbeiterin Lea Müller. Statt der ursprünglich geplanten zehn Megawatt Leistung musste die EnBW das Projekt auf fünf Megawatt verkleinern. Bei der aktuellen Kapazität des lokalen Stromnetzes könne der Solarpark nicht mehr Leistung einspeisen. Auch die benötigte Fläche würde damit deutlich unter den ursprünglich geplanten 12,5 Hektar liegen. Allerdings könnten damit, wie Lea Müller hervorhob, bereits 1.300 Haushalte versorgt werden. Die aus dem Publikum geäußerten Bedenken, dass angesichts der begrenzten Netzkapazität der Bau des Solarparks dazu führen könnte, dass keine Photovoltaikanlagen auf Dächern mehr installiert werden könnten, entkräftete sie mit dem Hinweis auf die deutlich geringere Leistung der Dachanlagen. Für diese bliebe ausreichend Puffer. In Zeiten mit viel Sonneneinstrahlung und insgesamt hoher Stromerzeugung könne es notwendig werden, die Leistung des Solarparks herunter zu regulieren. Dass dadurch auch das Wasserkraftwerk in Rechtenstein maßgeblich beeinträchtigt würde, sei nicht zu erwarten.
Bei der Bewirtschaftung von Solarparks achte die EnBW darauf, dass sich eine möglichst große Vielfalt an Pflanzen und Tieren dort ansiedeln kann. Dazu säe man zum Beispiel regionale, besonders bienenfreundliche Blühpflanzen aus. Das Mähen der Fläche sollen Schäfer mit ihren Schafherden übernehmen.

Gemeinde an Ergebnis des Bürgerentscheids gebunden, kann aber nicht allein entscheiden

© Forum Energiedialog 2019

In einer Gesprächsrunde erläuterten Experten fachliche Zusammenhänge und beantworten Fragen aus dem Publikum.
Markus Mussotter, Geschäftsführer der Verwaltungsgemeinschaft Munderkingen, erklärte, wie es nach dem Bürgerentscheid weitergehen würde. Sollte eine Mehrheit für den Solarpark stimmen, sei die Gemeinde an dieses Ergebnis gebunden. Sie müsste einen Bebauungsplan dafür auf den Weg bringen und bei der Verwaltungsgemeinschaft eine Änderung des Flächennutzungsplans beantragen. Damit der Solarpark gebaut werden kann, müsste aber auch die Mehrheit der 13 Kommunen der Verwaltungsgemeinschaft zustimmen.
Ulrich Thomas vom Planungsbüro Künster hatte 2010 für die Gemarkung der gesamten Verwaltungsgemeinschaft die Potenziale für Freiflächen-Photovoltaik analysiert und geeignete Standorte identifiziert. Daraufhin wiesen die Kommunen in ihrem Flächennutzungsplan sechs Standorte mit insgesamt 57 Hektar für Solarenergie aus. Keiner davon liegt in Rechtenstein. Und an keinem dieser Standorte sei bisher ein Solarpark entstanden, es müsse sich schließlich erst ein interessierter Investor finden, der ein solches Projekt umsetzt. Den Flächennutzungsplan zu ändern und eine weitere Solarfläche zu ergänzen, sei bei Zustimmung der Mitgliedskommunen durchaus möglich, so Thomas.
Bei der damaligen Analyse habe die Bedeutung Rechtensteins als Ort für Erholung dagegen gesprochen, ebenso die hohe Qualität der landwirtschaftlichen Böden. Diesen Aspekt erläuterte Joachim Vogel vom Fachdienst Landwirtschaft im Landratsamt des Alb-Donau-Kreises. Er wies darauf hin, dass die zur Abstimmung stehenden Flächen in der besten, zum Teil in der zweitbesten Kategorie an Ackerflächen eingestuft seien. Derart hochwertige Böden sollten aus seiner Sicht weiter landwirtschaftlich genutzt werden.

Solarparks liefern kostengünstig klimafreundlichen Strom

Johanna Geiger-Mohr vom Regierungspräsidium Tübingen betonte, dass Photovoltaik neben Windenergie die kostengünstigste erneuerbare Energie sei. Der Bau von Windkraftanlagen würde sich vielerorts in Baden-Württemberg schon etwas erschöpfen, und deshalb sei Freiflächen-Photovoltaik, vor allem im sonnenreichen Regierungsbezirk Tübingen, eine erfolgsversprechende Option.
Andrea Molkenthin-Kessler vom Dialogforum Erneuerbare Energien und Naturschutz hob hervor, dass man derzeit überall sehe, wie sich durch den Klimawandel Veränderungen in der Natur- und Artenvielfalt manifestierten. Man müsse sich Standorte, an denen Freiflächen-Photovoltaik geplant werde, einzeln anschauen. In vielen Fällen sei der Eingriff in den Naturraum aber vertretbar. Dies gelte vor allem, wenn die Flächen arten- und naturschutzfreundlich gepflegt würden und umweltbezogene Begleitmaßnahmen erfolgten. Das Dialogforum unterstütze Projektentwickler bei Interesse, dies zu planen.

Im Anschluss an die kontroversen und zum Teil emotionalen Diskussionen im Plenum hatten die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, an Informationsständen das bereits Gehörte zu vertiefen und sich mit den Expertinnen und Experten direkt auszutauschen.

Am kommenden Sonntag haben die Bürgerinnen und Bürger das Wort und sind aufgerufen, über den Solarpark abzustimmen.

Nachtrag: Beim Bürgerentscheid am 7. Juli ist der Solarpark mehrheitlich abgelehnt worden. 163 Personen haben abgestimmt, das entspricht einer Wahlbeteiligung von 65 Prozent. Davon stimmten 94 Personen, also 58 Prozent gegen den Solarpark, 69 Personen, also 42 Prozent waren dafür.

 

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