Flächen für Solarenergie nutzen? Laichingen diskutiert

26. Oktober 2019 – Was spricht für, was spricht gegen den Bau eines Solarparks in Laichingen? Bei einer vom Forum Energiedialog organisierten und moderierten Veranstaltung konnten die Bürger sich mit den unterschiedlichen Positionen von lokalen Akteuren und Fachexperten auseinandersetzen. Ob der Solarpark gebaut wird oder nicht, entscheiden sie am 10. November im Rahmen eines Bürgerentscheids. Das Unternehmen W-I-N-D hatte einen zwölf Hektar großen Solarpark auf einer derzeit landwirtschaftlich genutzten Fläche geplant und im Frühjahr bei der Stadtverwaltung beantragt, dass diese einen Bebauungsplan für den Solarpark aufstellt. Im aktuellen Flächennutzungsplan ist die fragliche Fläche als potenzieller Standort für Solarenergie ausgewiesen. Im Gemeinderat fiel der Solarpark dennoch mehrheitlich durch, drei der vier dort vertretenen Fraktionen votierten gegen den Vorschlag der Verwaltung, einen Bebauungsplan für das Projekt aufzustellen. Dabei verwiesen die drei Fraktionen auf die zunehmende Knappheit an landwirtschaftlicher Fläche in Laichingen. Der Bürger Ludwig Häberle initiierte daraufhin ein Bürgerbegehren und sammelte Unterschriften, um den Ratsentschluss zu kippen. Mit 1.263 Stimmen kamen etwa doppelt so viele Unterschriften zusammen wie erforderlich gewesen wären, um den Bürgerentscheid zu erwirken.

Solarpark mit 8,9 Megawatt Leistung

Bei der Veranstaltung konnten die etwa 200 Besucherinnen und Besucher Details zur konkreten Planung des möglichen Solarparks erfahren, Argumente dafür und dagegen sowie fachliche Überlegungen dazu hören, aber auch Fragen stellen und ihre Meinung äußern. Einen Überblick darüber, wie der Solarpark konkret aussehen würde, gaben die Geschäftsführer des Unternehmens W-I-N-D Alexander Wiethüchter und Jochen Kreidenweiss. Die geplante Anlage hätte eine Leistung von 8,9 Megawatt und würde Strom für 2400 Haushalte erzeugen. Die Nähe zum geplanten Gewerbegebiet, also zu zukünftigen Verbrauchern des Stroms sowie die Vorbelastung durch die bestehende Hochspannungsleitung würden für diesen Standort sprechen. Auf der Fläche sollen Schafe als Weidetiere gehalten werden. Mit weiteren Maßnahmen soll die Artenvielfalt erhalten und verbessert werden. Die W-I-N-D-Geschäftsführer kündigten darüber hinaus an, in Kooperation mit einer lokalen Bank eine Energiegenossenschaft gründen zu wollen um Möglichkeiten für lokale Wertschöpfung zu schaffen. 50 Prozent der Anteile der Gesellschaft könnten auf diese Weise von Bürgern erworben werden. Darüber hinaus würde der Sitz der Betreibergesellschaft in Laichingen liegen, so dass die Gewerbesteuer der Gemeinde zu Gute kommen würde.

Standort im Flächennutzungsplan als Solarfläche vorgesehen

Clemens Künster von der gleichnamigen Planungsgesellschaft erklärte, wie das Büro bei der Standortanalyse für die Freiflächen-Photovoltaik für den gesamten Gemeindeverwaltungsverband Laichinger Alb vorgegangen war. Anhand dieser Analyse hatte der Verband 2012 Flächen für Solarenergie im Flächennutzungsplan ausgewiesen, auch die Fläche, um die es im aktuellen Bürgerentscheid geht. Die ursprünglich für Solarenergie ausgewiesenen 25,4 Hektar waren in einer Fortschreibung 2018 auf 12 Hektar verkleinert worden, die restlichen 13,4 Hektar hatte die Gemeinde zur Gewerbefläche umgewidmet. Dass die fragliche Fläche für Solarenergie ausgewiesen ist, gebe eine Zielrichtung vor, bindend sei dies jedoch nicht, so Künster. Es verpflichte den Gemeinderat nicht dazu, einem Solarpark in dem Gebiet zuzustimmen.

Ein Solarpark? Gerade jetzt, vielleicht später oder aber gar nicht auf wertvollem Ackerland?

©Forum Energiedialog Baden-Württemberg

In einer moderierten Gesprächsrunde legten die lokalen Akteure ihre Positionen und Argumente für oder gegen den geplanten Solarpark dar. Ludwig Häberle erläuterte, was ihn dazu bewogen hatte, Unterschriften für den Solarpark zu sammeln. Häberle sieht den Solarpark als Chance dafür, dass die Gemeinde Laichingen ihren Beitrag zur Umsetzung der Energiewende leisten kann. Deswegen hätte er nicht nachvollziehen können, dass der Gemeinderat gerade jetzt, wo die Folgen des Klimawandels spürbar würden, gegen den Solarpark gestimmt habe. Er wehrt sich gegen die Unterstellung, er würde mit dem Projektentwickler an einem Strang ziehen. Ihm sei es egal, welches Unternehmen die Anlage bauen würde. Er habe auch Verständnis für die Landwirte. Bevölkerungswachstum und Wirtschaftswachstum würden ebenso wie der Ausbau der erneuerbaren Energien zur Flächenkonkurrenz beitragen, sagte Häberle. Hier müssten Politik und Gesellschaft entscheiden was ihnen am wichtigsten ist.

Bernhard Schweitzer sprach für die Gemeinderatsfraktionen LAB und CDU. Deren Stimme gegen den Solarpark dürfe nicht als grundsätzliche Ablehnung von Solarparks oder von Klimaschutz verstanden werden. Sie hätten lediglich die Bremse gezogen, weil sie eine solche Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt als voreilig ansehen würden. Zunächst müssten die Dächer und Konversionsflächen für Photovoltaik genutzt werden. Erst müsste ein Entwicklungskonzept erarbeitet werden als Basis dafür, über die Nutzung von Flächen zu entscheiden. Als die potenziellen Standorte für die Freiflächenphotovoltaik ermittelt und im Flächennutzungsplan ausgewiesen wurden, sei noch nicht klar gewesen, wie viel Flächen beispielsweise für die ICE-Trasse und die Autobahn gebraucht und der Landwirtschaft entzogen würden.

Jakob Länge von der BWV-Fraktion vertrat die Meinung, dass wertvolles Ackerland generell nicht durch Freiflächen-Photovoltaik verbaut werden dürfte. Es gebe genügend Alternativen, zum Beispiel auf städtischen Gebäuden oder Konversionsflächen. Auf die Nachfrage, wie er sich zum Gewerbepark positionieren würde, erwiderte er, dass es sich seiner Meinung nach um zwei verschiedene Paar Stiefel handele. Der Gewerbepark würde Arbeitsplätze schaffen, der Solarpark nicht.

Die IGEL-Fraktion hatte, so Gisela Steinestel, für den Solarpark gestimmt, weil gerade jetzt gehandelt werde müsse. Zögern und Hadern, sei nicht die richtige Vorgehensweise. Photovoltaik auf dem Dach würde nicht ausreichen, ein Energiemix müsste angestrebt werden, und zurzeit sei es leider so, dass kaum noch Windräder genehmigt würden. Das Konzept des Unternehmens W-I-N-D mit dem ökologischen Gestaltungskonzept habe sie überdies überzeugt. Auch sie hat Verständnis für die Sorgen der Landwirte. Die Flächenkonkurrenz sei in der Tat da. Für sie sei jedoch ein grundlegender Unterschied, dass, anders als bei einem Gewerbegebiet, die Flächen von Solarparks nicht versiegelt würden und wieder an die Landwirtschaft zurückgegeben werden könnten.

Wilhelm Häberle, der Obmann der Landwirte, hinterfragt, ob in dieser Phase großen Flächenverbrauchs wertvolles Ackerland für Solarenergie geopfert werden soll. Für Solarenergie gebe es bessere Möglichkeiten, auf den Dächern und Konversionsflächen. Dabei wies er auf die lokale Bedeutung der Landwirtschaft hin: für 40 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe in Laichingen sei die Landwirtschaft der Haupterwerb. Die Landwirte würden bereits jetzt den Ausbau regenerativer Energien vorantreiben: durch Biogasanlagen und Photovoltaikanlagen auf ihren Dächern. Ackerland würde hingegen gebraucht, um Nahrungsmittel herzustellen. Nur 14 Prozent des Getreideanbaus würden in die Biogasanlagen gehen, und der Mais dafür werde nur alle sechs Jahre in der Fruchtfolge angebaut.

Klimaziele, nachhaltige Landwirtschaft und Naturschutz

In einer weiteren Gesprächsrunde kamen Fachexperten zu Wort. Johanna Geiger-Mohr vom Kompetenzzentrum Energie am Regierungspräsidium Tübingen erläuterte die Klimaschutzziele des Landes. Die Nutzung der Solarenergie sei neben der Nutzung der Windenergie ein wichtiger Bestandteil bei deren Umsetzung. Bis 2020 solle die Photovoltaik in einer Größenordnung von 8.800 Megawatt ausgebaut werden. Die Anlagen, die bis jetzt gebaut wurden, hätten zusammen eine Kapazität von 5.500 Megawatt Stromerzeugung, etwa 500 Megawatt davon würden in Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen produziert. Wenn die Ziele erreicht werden sollen, dann müssten noch weitaus mehr Anlagen auf Freiflächen entstehen. Das Land habe 2017 die sogenannte Freiflächenöffnungsverordnung erlassen, um den Ausbau zu fördern. Darin ist geregelt, dass Solarparks in sogenannten „benachteiligten“ landwirtschaftlichen Gebieten nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz bezuschusst werden können. Die Gemarkung Laichingen gehört vollständig zu diesen benachteiligten Gebieten.

Silvia Erdt vom Fachdienst Landwirtschaft im Landratsamt des Alb-Donau-Kreis verwies darauf, dass Klimaschutz auch durch nachhaltige Landwirtschaft und durch regionale Produkte gewährleistet werde. Ein Solarpark auf wertvollem Ackerboden würde dagegen dem Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft widersprechen, so Erdt. Aus ihrer Sicht kommen nicht pauschal alle Flächen auf „benachteiligtem“ Gebiet für Solarenergieerzeugung in Frage. Das Hinweispapier des Umweltministeriums zum Ausbau der Photovoltaik-Freiflächenanlagen besage, dass die Interessen der Landwirtschaft beim Ausbau der Solarenergie berücksichtigt werden müssten. In den Augen des Fachdiensts Landwirtschaft sei die Einstufung einer Ackerfläche in der hochwertigsten Wertkategorie, der Vorrangflur 1, ein Ausschlusskriterium für den Bau eines Solarparks. Die Flächen, auf denen der Solarpark in Laichingen entstehen soll, seien in eben dieser Kategorie eingestuft. Johanna Geiger-Mohr erläuterte, für die Vorrangflur 1 gelte kein kategorischer Ausschluss von der Solarenergienutzung, aber die hohe landwirtschaftliche Wertstufe müsse in der Abwägung über den Standort mit besonders hohem Gewicht berücksichtigt werden.

Franziska Janke vom Dialogforum Erneuerbare Energien und Naturschutz erläuterte, wie die Naturschutzverbände BUND und der NABU vorgehen, um zwischen den Belangen des Klimaschutzes und des Umweltschutzes abzuwägen und zu vermitteln. Mit einem guten Konzept sei es möglich, Solarparks so zu gestalten, dass sich dort viele Tier- und Pflanzenarten ansiedeln. So wäre es möglich Naturschutz- und Klimaschutzzielen gleichzeitig nachzugehen. Als Beispiele für geeignete Maßnahmen nannte sie ausreichende Abstände der Umzäunung vom Boden, damit keine Barriere für Kleintiere entsteht, oder die Bepflanzung mit Wildsorten. Im Bebauungsplan oder in Pflege-Verträgen könnten Gestaltungsprinzipien festgelegt werden. Projektentwickler und Betreiber seien dann verpflichtet diese umzusetzen.

Die Besucherinnen und Besucher nutzten die Möglichkeit, Fragen zu stellen oder auch ihre Meinung zu äußern. In vielen Wortmeldung hinterfragten sie dabei insbesondere die Motive und Argumente der handelnden Personen. Einige wiesen darauf hin, dass man angesichts des Klimawandels keine Zeit zu verlieren habe und keine Chancen verstreichen lassen sollte. Andere verwiesen darauf, dass die Landwirtschaft nicht durch Solarenergieplanungen eingeschränkt werden solle.

Zur Projektseite Laichingen